Lee Alexander McQueen – Genie der Modebranche

„Alexander McQueen – Der Film“ lief 2018 in den deutschen Kinos und zeigte den Zuschauern die Genialität hinter der Person und der Brand Alexander McQueen.

Die Dokumentation widmet sich in den 111 Minuten Spielzeit dem Leben des britischen Designers. Durch viele persönliche Aufnahmen, Interviews und Einschätzungen von Freunden und Familienmitglieder wurde ein sehr genaues Bild der Persönlichkeit und des Schaffens von Lee, wie er bürgerlich mit erstem Namen heißt, gezeichnet.

Doch schon durch die ersten Frequenzen, die einen Totenkopf enthalten, an dem das Blut herunterrinnt, machen klar, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird.

Filmplakat_AlexanderMcQueen
Filmplakat zur Dokumentation

Dieser Beitrag stützt sich primär auf die erwähnte Dokumentation, aber widmet sich dennoch dem gesamten Schaffen und Wirken des britischen Designers.

Als das vierte von sechs Kindern eines Taxifahrers und einer Hausfrau war Lees Weg alles andere als selbstverständlich. Durch häusliche Gewalt und Missbrauchsvorfälle wurde der 1969 geborene Brite früh geprägt.

Um seinem Wirken und seiner Karriere Struktur zu geben, wurde der Film in fünf Tapes eingeteilt, die nach Kollektionen seiner Brand benannt sind:

Erstes Tape: Jack the Ripper Stalks His Victims
Abschlussarbeit am Central Saint Martins College of Art and Design in London, 1992

Seine College-Abschlusskollektion 1992 betitelte McQueen „Jack the Ripper Stalks His Victims“ (zu dt. „Jack the Ripper verfolgt seine Opfer“), die von der britischen Vogue-Stylistin Isabella Blow komplett aufgekauft wurde, brachte den Stein ins Rollen.  Von da an, war sie seine Muse, Unterstützerin und Freundin.

Seine erste Kollektion, die von Büchern und Filmen über Jack the Ripper, das Parfüm und ähnliches inspiriert war, finanzierte er komplett über das Arbeitslosengeld, das er jeden Monat bekam. Durch unkonventionelle Ideen wurden teilweise Kleider für zehn Pfund produziert. Stellenweise war so wenig Geld zu Händen, dass man nach dem großen Finale der Fashion Week in London zu McDonalds ging, da man sich nichts anderes leisten konnte.

Aus Angst, dass ihm seine Arbeitslosenunterstützung gestrichen werden könnte, wenn die Behörde seinen Namen in der Presse lesen würde, nannte er sein Label einfach Alexander McQueen und ließ seinen offiziellen Vornamen Lee weg.

Zweites Tape: Highland Rape
Fall/Winter 1995

Auch hier wurde ein sehr düsteres Thema behandelt. Aufgrund seiner schottischen Wurzeln, beschäftigte sich McQueen mit den Kämpfen der Schotten gegen die Engländer und mit dem damals allgegenwärtigen Schänden der schottischen Frauen. Models mit zerrissenen Kleidern, zerzausten Frisuren und fast dauerhaft entblößten Brüsten sind das Thema dieser Kollektion. Danach hagelte es Kritik, dass Alexander McQueen Frauen als Opfer darstelle und frauenfeindlich sei.

Editor’s Addition: Dante
Fall/Winter 1996

Die achte Show des Designers wurde hauptsächlich vom florentinischen Dichter, Schriftsteller und Philosophen Dante Alighieri aus dem 14. Jahrhundert inspiriert. Zudem waren Drucke von Don McCullins Fotografien, die während des Vietnamkriegs (1955-1975) entstanden, sowie Kruzifix-Masken zu sehen, die von Joel-Peter Witkins Fotografien inspiriert wurden. Die Kollektion thematisierte Krieg und Religion und setzte damit die Schwere in McQueens Werk fort.

Die Show fand in der Christ Church in Spitalfields im Osten Londons statt, wo das britische Supermodel Kate Moss erstmals für die Marke auf dem Runway zu sehen war. Hier wurde die internationale Modeindustrie auf Lee Alexander McQueen aufmerksam, und noch im selben Jahr wurde er bei den British Fashion Awards zum „British Designer of the Year“ gekürt.

Diese Erfolge im Jahr 1996 verdeutlichen, wie wichtig die Dante-Kollektion in McQueens Karriere war und welchen Einfluss sie auf seinen weiteren Aufstieg hatte.

Drittes Tape: It’s a Jungle Out There
Fall/Winter 1997

In diesem Jahr nahm er die Stelle bei der französischen Maison Givenchy an, die zur LVMH-Gruppe gehört. Jedoch wurde seine erste Kollektion kein großer Erfolg. Ganz im Gegenteil zur Show der eigenen Marke. It’s a Jungle Out There zeigt Frauen, die an Tiere, an Hyänen erinnern. Durch das aggressive Auftreten der Models, die angespannte Stimmung, wirkten die Models so stark wie noch nie. Fast schon wie eine Armee. Das war wohl McQueens Antwort auf die Beschuldigung der Frauenfeindlichkeit.

2000 verkaufte McQueen 51% seiner eigenen Marke an die Gucci-Gruppe, bzw. heute Kering, den größten Konkurrenten der LVMH-Gruppe. Ein Jahr später verließ er Givenchy.

Editor’s Addition: No. 13
Spring/Summer 1999

Die Show, die im Gatliff Warehouse stattfand, schrieb Modegeschichte. Am Ende der Show, als die meisten Gäste bereits dachten, sie sei vorbei, wechselte die elektronische Musik zu „The Swan“ von Camille Saint-Saëns. Shalom Harlow, das kanadische Supermodel, war per Nachtflug in London angekommen und konnte ihren Auftritt nicht proben. Ihre Ballettausbildung war entscheidend für die Magie dieses Moments.

Sie betrat allein den Laufsteg, gekleidet in ein trägerloses weißes Tüllkleid mit einem Gürtel oberhalb der Brust und einem weiteren im Rücken, wie ihr in der Galerie und im Video sehen könnt. Shalom stand auf einer kleinen, runden Plattform zwischen zwei Roboterarmen. Als sie auf der Plattform stand, begann diese sich zu drehen. Gleichzeitig setzten sich die Roboterarme langsam in Bewegung. Zunächst bewegten sie sich auf sie zu und begannen dann, schwarze und gelbe Farbe auf sie zu sprühen. Shalom Harlow bewegte ihren Oberkörper und ihre Arme, um auf die Bewegungen der Roboter zu reagieren.

Diese Hingabe des Models stand im Kontrast zu vielen Shows, die dem typischen Schema einer Modenschau folgten. Alexander McQueen brachte dadurch Theatralik und Drama auf den Laufsteg, was die Modebranche bis heute beeinflussen sollte.

Viertes Tape: Voss
Spring/Summer 2001

Die Inszenierung dieser Show spiegelte zu dieser Zeit wohl den Gemütszustand des Designers, wie keine andere Show, wieder. Models laufen um einen verspiegelten Würfel, wodurch sie vom Publikum gesehen werden, aber sie das Publikum nicht sehen konnten. Weiße Fließen, gepolsterte Wände, Models mit abgebundenen Köpfen erinnerten an eine Nervenheilanstalt. Durch den abgestumpften Look der Models und das typische Verhalten von Patienten in dieser Umgebung, wurde das Bild vervollständigt. Am Ende fällt der Würfel in der Mitte des Catwalks auseinander und man sie eine nackte, pummelige Frau mit einer Maske, die von Motten umgeben war.

Fünftes Tape: Platons Atlantis
Spring/Summer 2010

Sein letzter großer Erfolg war von der Idee inspiriert, dass die Menschen wieder zurück in das Meer gehen. McQueen war begeistert vom Meer, fühlte sich unter Wasser sehr wohl und liebte es auch am Meer zu leben. Die Models liefen über einen cleanen Laufsteg. Zwei sich ständig bewegende Roboter zeigen die Beziehung McQueens zum Fortschritt.

Durch die zunehmende Kokainsucht, die Infizierung mit dem HI-Virus und dem Tod seiner Entdeckerin Issie verdunkelte sich die Seele von Alexander McQueen immer weiter. Doch als seine Mutter, zu der er ein sehr enges Verhältnis hatte, starb, zog ihm das den Boden unter den Füßen weg.

Ein Tag vor ihrer Beerdigung nahm sich das Ausnahmetalent, im Alter von 40 Jahren, das Leben. Mögen beide in Frieden ruhen.

Alexander McQueen überzeugte durch sein Talent und seinen einzigartigen Sinn für Ästhetik, den er durch seinen Weg zwar erlangte, aber dieser Weg ihm am Ende auch die Freude am Leben nahm.

Dieser Dokumentation schafft es am Anfang eine gewisse Leichtigkeit zu vermitteln. Durch die unkonventionelle Mode und das unbedarfte Auftreten des etwas ungepflegten, jungen Lee Alexanders musste man gelegentlich schmunzeln. Mit Voranschreiten der Spielzeit wurde die Stimmung immer düsterer…

Sarah Burton, damals Praktikantin, übernahm die kreative Leitung des Hauses, wobei Kate Middletons Hochzeitskleid das erste große Projekt war, bei dem sie ihr Können unter Beweis stellte. 2023 verließ sie das Label, um im selben Jahr bei Givenchy anzufangen – genau 27 Jahre nachdem Lee Alexander McQueen seine erste Kollektion für das französische Label präsentiert hatte.

Ihr Abschied war sehr emotional und löste eine große Welle der Begeisterung aus. Ihre letzte Show wurde vom Supermodel Naomi Campbell geschlossen, die ebenfalls ein paar Tränen verdrückte.

Hier sind zehn Runway-Looks von Sarah Burton, die unvergessen bleiben..

Seit 2023 ist Seán McGirr der neue Kreativdirektor des Hauses.

Der Geist des Gründers war bzw. ist omnipräsent. Anders als viele Marken wie zum Beispiel Saint Laurent, Dior oder Chanel trägt das Label nach wie vor den Vornamen des Gründers im Logo.

Was sagt ihr zur unverkennbaren Ästhetik der Marke Alexander McQueen?

Ebenfalls auf Textilwirtschaft.de habe ich über die Dokumentation bereits 2018 geschrieben.

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English Version

Lee Alexander McQueen – Genius of the fashion industry

„McQueen“ was released in cinemas in 2018 and showed viewers the genius behind the person and brand of Alexander McQueen.

The 111-minute documentary is dedicated to the life of British designer Lee Alexander McQueen. Through many personal recordings, interviews, and assessments by friends and family members, a very precise picture of the personality and work of Lee, as he is known by his first name, was drawn.

But the very first frequencies, which contain a skull with blood running down, make it clear that the story will not end well.

Filmplakat_AlexanderMcQueen
Film poster for the documentary

As the fourth of six children of a cab driver and a housewife, Lee’s path was anything but natural. Born in 1969, the Brit was shaped early on by domestic violence and incidents of abuse.

To give structure to his work and career, the film was divided into five tapes named after collections from his brand:

First Tape: Jack the Ripper Stalks His Victims
Thesis at Central Saint Martins College of Art and Design in London, 1992

McQueen’s 1992 college graduation collection entitled „Jack the Ripper Stalks His Victims„, which was bought out in its entirety by British Vogue stylist Isabella Blow, set the ball rolling. From then on, she was his muse, supporter and friend.

He financed his first collection, which was inspired by books and films about Jack the Ripper, Perfume, etc., entirely from the unemployment benefit he received each month. Unconventional ideas sometimes led to clothes being produced for ten pounds. Sometimes there was so little money to hand that after the grand finale of Fashion Week in London, people went to McDonalds because they couldn’t afford anything else.

Fearing that his unemployment benefits might be cut if the authorities saw his name in the press, he named his label simply Alexander McQueen, leaving out his official first name, Lee.

Second Tape: Highland Rape
Fall/Winter 1995

A very dark subject was also dealt with here. Due to his Scottish roots, McQueen dealt with the struggles of the Scots against the English and the ubiquitous rape of Scottish women at the time. Models with torn dresses, disheveled hairstyles, and almost permanently exposed breasts are the theme of this collection. Afterward, criticism rained down that Alexander McQueen portrayed women as victims and was misogynistic.

Editor’s Addition: Dante
Fall/Winter 1996

The designer’s eighth show was primarily inspired by the Florentine poet, writer, and philosopher Dante Alighieri from the 14th century. Additionally, prints of Don McCullin’s photographs, taken during the Vietnam War (1955-1975), as well as crucifix masks inspired by Joel-Peter Witkin’s photographs, were featured. The collection focused on themes of war and religion, continuing the dark and profound aesthetic of McQueen’s work.

The show took place at Christ Church in Spitalfields, East London, where British supermodel Kate Moss walked the runway for the brand for the first time. This is where the international fashion industry took notice of Lee Alexander McQueen, and later that same year, he was named „British Designer of the Year“ at the British Fashion Awards.

These successes in 1996 highlight how important the Dante collection was in McQueen’s career and the impact it had on his rise to prominence.

Third Tape: It’s a Jungle Out There
Fall/Winter 1997

That year, he accepted a position at the French Maison Givenchy, part of the LVMH Group. However, his first collection was not a great success. Quite the opposite of his own brand’s show. It’s a Jungle Out There shows women who resemble animals, and hyenas. The aggressive appearance of the models and the tense atmosphere made them look stronger than ever before. Almost like an army. This was probably McQueen’s answer to the accusation of misogyny.

In 2000, McQueen sold 51% of his brand to the Gucci Group, or today Kering, the LVMH Group’s biggest competitor. One year later, he left Givenchy.

Editor’s Addition: No. 13
Spring/Summer 1999

The show that took place at the Gatliff Warehouse made fashion history. At the end of the show, when most guests already thought it was over, the electronic music switched to “The Swan” by Camille Saint-Saëns. Shalom Harlow, the Canadian supermodel, had arrived in London on a red-eye flight and couldn’t rehearse her appearance. Her ballet training was crucial to the magic of this moment.

She stepped onto the runway alone, wearing a strapless white tulle dress with a belt above the chest and another at the back, as you can see in the gallery and video. Shalom stood on a small, round platform between two robotic arms. As she stood on the platform, it began to rotate. At the same time, the robotic arms slowly started to move. First, they moved towards her and then began spraying black and yellow paint on her. Shalom Harlow moved her torso and arms, responding to the movements of the robots.

This dedication of the model stood in contrast to many shows that followed the typical fashion show formula. In this way, Alexander McQueen brought theatricality and drama to the runway, influencing the fashion industry from that moment to this day.

Fourth Tape: Voss
Spring/Summer 2001

The staging of this show probably reflected the designer’s state of mind like no other show at the time. Models walked around a mirrored cube so that they could be seen by the audience, but could not see the audience. White tiles, padded walls, and models with their heads tied off were reminiscent of a mental hospital. The models‘ jaded look and the typical behavior of patients in this environment completed the picture. In the end, the cube in the middle of the catwalk falls apart and you see a naked, chubby woman with a mask surrounded by moths.

Fifth Tape: Platons Atlantis
Spring/Summer 2010

His last great success was inspired by the idea of people going back to the sea. McQueen was passionate about the sea, felt very comfortable underwater, and also loved living by the sea. The models walked along a clean catwalk. Two constantly moving robots show McQueen’s relationship with progress.

Alexander McQueen’s soul continued to darken as a result of his increasing cocaine addiction, infection with HIV, and the death of his discoverer Issie. But when his mother, with whom he had a very close relationship, died, it pulled the rug out from under his feet.

One day before her funeral, the exceptional talent took his own life at the age of 40. May they both rest in peace.

Alexander McQueen stood out for his talent and his unique sense of aesthetics, which he acquired along the way, but which in the end also took the joy out of his life.

This documentary manages to convey a certain light at the beginning. The unconventional fashion and the naive appearance of the somewhat unkempt young Lee Alexander occasionally made us smile. As the movie progressed, the mood became increasingly gloomy…

The farewell of Sarah was very emotional and caused a huge wave of enthusiasm. Her last show was closed by supermodel Naomi Campbell, who also shed a few tears. Here are ten runway looks from Sarah Burton that will be remembered. Sarah Burton, then an intern, took over the creative direction of the house, with Kate Middleton’s wedding dress being the first major project where she was able to prove her talent. In 2023, she left the label to join Givenchy the same year – 27 years after Lee Alexander McQueen presented his first collection for the French label.

Seán McGirr has been the company’s new creative director since 2023.

The spirit of the founder was and is omnipresent. Unlike many brands such as Saint Laurent, Dior, or Chanel, the label still bears the founder’s first name in its logo.

What do you think of the unmistakable aesthetic of the Alexander McQueen brand?

I also wrote about the documentation on Textilwirtschaft.de back in 2018.